Überhöhte Bescheinigung einer GmbH über Einlagenrückgewähr
Stellt eine GmbH eine überhöhte Bescheinigung über eine Einlagenrückgewähr aus, haftet sie verschuldensunabhängig für die Kapitalertragsteuer, die auf den überhöhten Betrag entfällt. Das Finanzamt darf daher gegenüber der GmbH nur einen Haftungsbescheid erlassen, nicht aber einen Nachforderungsbescheid.
Quelle: BFH, Urteil v. 1.10.2024 – VIII R 35/20; NWB
Hintergrund: Die Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner führt bei den Anteilseignern zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften. Die Kapitalgesellschaft muss auf die Ausschüttung Kapitalertragsteuer einbehalten, anmelden und abführen. Anders ist dies bei einer sog. Einlagenrückgewähr, d.h. bei der Rückzahlung von Einlagen, die der Anteilseigner in einem früheren Jahr geleistet hat; diese können grundsätzlich steuerfrei zurückgewährt werden. Die Höhe der Einlagen ergibt sich aus dem sog. steuerlichen Einlagekonto, das durch einen Bescheid jährlich festgestellt wird. Solange aber ein ausschüttbarer Gewinn vorhanden ist, gilt dieser als ausgeschüttet und muss versteuert werden. Soweit kein ausschüttbarer Gewinn vorhanden ist, sind für die Steuerfreiheit bestimmte formelle Anforderungen zu beachten. So muss die Kapitalgesellschaft eine Bescheinigung über die Einlagenrückgewähr, die Angaben zum Anteilseigner, zur Höhe der Einlagenrückgewähr und zum Tag enthält, ausstellen.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, für die das Finanzamt zum 31.12.2005 ein steuerliches Einlagekonto in Höhe von ca. 55 Mio. € festgestellt hatte. Die beiden Gesellschafter der GmbH beschlossen am 30.8.2006 eine Ausschüttung in Höhe von ca. 42 Mio. €, die aus dem steuerlichen Einlagekonto erbracht werden und daher bei den beiden Gesellschaftern in vollem Umfang steuerfrei sein sollte. Die GmbH erteilte beiden Gesellschaftern am 4.9.2006 jeweils eine Bescheinigung über Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von jeweils ca. 21 Mio. €. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass am 31.12.2005 doch ein ausschüttbarer Gewinn in Höhe von ca. 12 Mio. € zur Verfügung gestanden hatte. Damit war die Bescheinigung der Klägerin überhöht; die Klägerin berichtigte die Bescheinigungen jedoch nicht. Das Finanzamt erließ einen Nachforderungsbescheid gegenüber der Klägerin und setzte Kapitalertragsteuer in Höhe von 1,2 Mio. € zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt, weil das Finanzamt nur einen Haftungsbescheid hätte erlassen dürfen, nicht aber einen Nachforderungsbescheid:
- Die Voraussetzungen eines Haftungsbescheids lagen vor. Soweit die GmbH über einen ausschüttbaren Gewinn zum 31.12.2005 verfügte, war eine Einlagenrückgewähr nicht möglich. Die GmbH hätte daher nur eine niedrigere Einlagenrückgewähr bescheinigen dürfen.
- Die Rechtsfolge einer überhöhten Bescheinigung ist der Erlass eines Haftungsbescheids. Dabei kommt es nach dem Gesetzeswortlaut auf ein mögliches Verschulden der GmbH nicht an. Vielmehr ist der Haftungsbescheid auch dann rechtmäßig, wenn die GmbH unverschuldet eine überhöhte Bescheinigung ausgestellt hat.
- Das Finanzamt hat aber keinen Haftungsbescheid erlassen, sondern nur einen Nachforderungsbescheid, mit dem es Kapitalertragsteuer gegenüber der Klägerin festgesetzt hat. Ein Nachforderungsbescheid ist bei einer überhöhten Bescheinigung nicht zulässig.
Hinweise: In den meisten Fällen im Bereich der Kapitalertragsteuer kann sich das Finanzamt zwischen einem Nachforderungsbescheid und einem Haftungsbescheid entscheiden. Der Fall einer überhöhten Bescheinigung ist jedoch eine Ausnahme, da hier nur ein Haftungsbescheid zulässig ist.
Die Klage hatte aus rein formellen Gründen Erfolg, weil sich das Finanzamt für die falsche Form des Bescheids (Nachforderungsbescheid statt Haftungsbescheid) entschieden hatte.
Die überhöhte Bescheinigung führt dazu, dass das Finanzamt des jeweiligen Gesellschafters die Zahlung durch die GmbH als Einlagenrückgewähr behandeln und damit steuerfrei belassen wird. Um dies zu verhindern, hätte die Klägerin die Bescheinigung berichtigen können. Dies hat die Klägerin aber unterlassen.