Unberechtigter Ausweis von Umsatzsteuer in einer unvollständigen Abrechnung
Ein Unternehmer muss die Umsatzsteuer, die er unberechtigt in einem an einen anderen Unternehmer gerichteten Dokument ausweist, an das Finanzamt abführen. Dies setzt voraus, dass in dem Dokument die grundlegenden Rechnungsangaben wie der Rechnungsaussteller, der (vermeintliche) Leistungsempfänger, die Leistungsbeschreibung und das Entgelt enthalten sind sowie die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist. Sofern die Leistungsbeschreibung unvollständig ist bzw. fehlt, genügt es, wenn sich die Leistung aus anderen Unterlagen ergibt, auf die das Dokument Bezug nimmt.
BFH, Beschluss vom 19.3.2025 – XI R 4/22; NWB
Hintergrund: Wer in einer Rechnung Umsatzsteuer gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Umsatzsteuerausweis nicht berechtigt ist, schuldet die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer und muss sie an das Finanzamt abführen.
Sachverhalt: Die Klägerin führte für ihre Auftraggeber (pharmazeutische Unternehmen) ärztliche Studien durch. Die pharmazeutischen Unternehmen beauftragten ihrerseits verschiedene Ärzte, die als sog. Prüfärzte die Studien begleiten sollten. Die Klägerin übernahm u.a. die Bezahlung der Ärzte im Auftrag und im Namen der pharmazeutischen Unternehmen und erteilte den Ärzten Gutschriften mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. Da die Klägerin hierfür das Geld von den pharmazeutischen Unternehmen benötigte, forderte sie das Geld von den pharmazeutischen Unternehmen mittels sog. Abforderungsschreiben an. In diesen Schreiben nannte die Klägerin eine fortlaufende Abforderungsnummer, eine Angebotsnummer, eine Bestellnummer des Auftraggebers, eine Kurzbeschreibung des Projekts und ein Lieferdatum. Die Klägerin forderte ihre Auftraggeber auf, die für die Ärzte bestimmten Honorare auf ein von ihr geführtes Honorarkonto zu überweisen. Dabei wies sie die Umsatzsteuer gesondert aus. Das Finanzamt ging von einem unberechtigten Umsatzsteuerausweis aus und forderte die Klägerin zur Abführung der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer auf.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
- Die Klägerin hat die Umsatzsteuer in den Abforderungsschreiben unberechtigt ausgewiesen. Denn die Klägerin hat keine prüfärztliche Tätigkeit erbracht; vielmehr wurde über die Leistungen der Prüfärzte in den Gutschriften gegenüber den Ärzten abgerechnet.
- Die Abforderungschreiben waren Rechnungen im umsatzsteuerlichen Sinne, da sie die grundlegenden Angaben, die eine Rechnung ausmachen, enthielten, z.B. den Rechnungsaussteller, den Leistungsempfänger, das Entgelt und die Umsatzsteuer.
- Zwar fand sich in den Abforderungsschreiben keine Leistungsbeschreibung. In den Abforderungschreiben wurde aber auf andere Unterlagen Bezug genommen, aus denen sich die Leistung ergab. So enthielten die Abforderungsschreiben eine Angebotsnummer und eine Bestellnummer. Sie nahmen auf die Projektkurzbeschreibung Bezug, wonach die Klägerin die Leistungen der Prüfärzte „als Zahlstelle“ für die pharmazeutischen Unternehmen abrechnete.
Hinweise: Die Regelung, nach der unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen ist, soll die Gefahr mindern, dass der Empfänger unberechtigt Vorsteuer aus der Rechnung geltend macht. Diese Gefahr bestand im Streitfall, da die pharmazeutischen Unternehmen aufgrund des gesonderten Umsatzsteuerausweises unberechtigt Vorsteuer – zusätzlich zu der Vorsteuer aus den Gutschriften – hätten geltend machen können.
Zu beachten ist, dass nach neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich die Finanzverwaltung und auch der BFH angeschlossen hat, die Abführungspflicht für unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer nicht besteht, wenn die Rechnung an einen Endverbraucher gestellt wird; denn ein Endverbraucher ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.