9. Mai 2025

Unterschiedliche Sterbetafeln für Männer und Frauen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer

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Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei der Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterschiedliche Sterbetafeln für Männer und Frauen verwendet werden. Dies dient einer realitätsgerechten Bewertung, da Frauen länger leben als Männer.

BFH, Urteil vom 20.1.2024 – II R 38/22; NWB

Hintergrund: Für die Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen wie z.B. von Nießbrauchsrechten, die dem Nießbrauchsberechtigten bis zum Tod zustehen sollen, muss ein Kapitalwert ermittelt werden. Hierfür wird ein Jahreswert der Nutzung ermittelt und mit einem Vervielfältiger multipliziert. Dieser Vervielfältiger wird anhand der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes ermittelt. Die Sterbetafel unterscheidet zwischen Männern und Frauen.

Sachverhalt: Ein 74 Jahre alter Vater übertrug seinen drei Kindern, einem Sohn (Kläger) und zwei Töchtern, im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge GmbH-Anteile, behielt sich aber einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Das für die GmbH zuständige Finanzamt bewertete die Anteile mit einem Wert von ca. 780.000 €. Das für die Besteuerung des Sohns (Klägers) zuständige Finanzamt zog hiervon den Wert des Nießbrauchs in Höhe von ca. 350.000 € ab, so dass sich für den Sohn ein Wert der Schenkung in Höhe von ca. 430.000 € ergab. Bei der Bewertung des Nießbrauchs wandte das Finanzamt die Sterbetafel für Männer an und gelangte zu einem Vervielfältiger von 8,431 (verbleibende Lebenserwartung für 74 Jahre alte Männer 11,21 Jahre). Der Kläger machte geltend, dass sich nach der Sterbetafel für Frauen ein höherer Vervielfältiger und damit ein höherer Abzug ergeben würde (verbleibende Lebenserwartung für 74 Jahre alte Frauen: 13,28 Jahre).

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage des Sohnes ab:

  • Die unentgeltliche Übertragung der GmbH-Anteile vom Vater auf den Sohn war schenkungsteuerbar.
  • Der Wert der übertragenen GmbH-Anteile wurde von dem für die GmbH zuständigen Finanzamt mit 780.000 € festgestellt. Dieser Wert wurde durch den Nießbrauch des Vaters gemindert.
  • Bei der Bewertung des Nießbrauchs waren die Sterbetafeln für Männer anzusetzen, da der Vater ein Mann war. Zwar führen die Sterbetafeln zu einer geschlechterbedingten Ungleichbehandlung. Diese Ungleichbehandlung ist aber verfassungsrechtlich gefertigt; denn die unterschiedlichen Sterbetafeln für Männer und Frauen ermöglichen eine gleichheitsgerechte Belastung der Steuerpflichtigen, weil so die Werte der geschenkten Vermögensgegenstände zutreffend und realitätsgerecht abgebildet werden können; denn Männer leben nicht so lange wie Frauen, so dass sie die ihnen eingeräumte Nutzung und Leistung nicht so lange nutzen können wie eine Frau.

Hinweise: Frauen leben etwa fünf Jahre länger als Männer. Daher ist es gerecht, einen Nießbrauch, der einer Frau lebenslang eingeräumt wird, höher zu bewerten als einen Nießbrauch, der einem Mann lebenslang eingeräumt wird. Denn ein 74 Jahre alter Mann wird den Nießbrauch statistisch gesehen fünf Jahre weniger nutzen.

Die Verwendung unterschiedlicher Sterbetafeln für Männer und Frauen kann sich für den Steuerpflichtigen mal günstiger und mal ungünstiger auswirken. Wird ein Nießbrauch einer Frau lebenslang zugewendet, muss diese einen höheren Kapitalwert versteuern als ein Mann, der einen Nießbrauch bis zum Lebensende erhält. Im Streitfall wirkte es sich aber zum Nachteil des Klägers aus, dass der Schenker ein Mann war und sich einen lebenslangen Nießbrauch vorbehielt. Dafür wird der Kläger die GmbH-Anteile statistisch betrachtet fünf Jahre früher unbelastet nutzen können.

Würde der Nießbrauch bei dem 74 Jahre alten Vater nicht länger als fünf Jahre bestehen, könnte die Schenkungsteuerfestsetzung nach dem Gesetz auf Antrag berichtigt werden. Fällt der Nießbrauch weg, ist ein Antrag nicht erforderlich.

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