Zahlung einer Steuerschuld durch einen Dritten und Anfechtung
Bezahlt ein Dritter die Steuerschuld eines Steuerpflichtigen, kann der Dritte geltend machen, dass er durch Drohung des Steuerpflichtigen zu der Zahlung an das Finanzamt gezwungen worden sei. Dies führt dazu, dass die Tilgungsbestimmung des Dritten, nämlich die Angabe, die Steuerschuld des Steuerpflichtigen zu tilgen, rückwirkend als nichtig anzusehen ist, so dass der Dritte einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt haben kann.
BFH, Urteil vom 19.3.2025 – X R 20/23; NWB
Hintergrund: Wird eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt, hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach dem Gesetz einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt. Damit ist nicht der Leistende gemeint, der gezahlt hat, sondern der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld beglichen werden sollte.
Sachverhalt: Der X schuldete dem Finanzamt Geld. Die Klägerin arbeitete im Steuerbüro des X. Am 24.2.2021 überwies die Klägerin Geld an das Finanzamt und gab als Verwendungszweck die Steuernummer und die Steuerschuld des X an. Das Finanzamt sah damit die Steuerschuld des X als getilgt an. Am 4.6.2021 beantragte die Klägerin beim Finanzamt die Erstattung des von ihr überwiesenen Betrags und machte geltend, dass sie sich bei der Überweisung geirrt habe. Das Finanzamt lehnte ihren Erstattungsantrag mit der Begründung ab, dass nur X erstattungsberechtigt sei. Am 18.6.2021 focht die Klägerin ihre Zahlung wegen Irrtums an. Am 22.12.2021 erklärte die Klägerin, dass sie von X erpresst worden sei und daher vorsorglich jede Zahlung angefochten habe. Das Finanzamt lehnte auch weiterhin eine Erstattung ab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Erstattungsanspruch der Klägerin für möglich und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
- Eine Steuerschuld kann auch durch einen Dritten bezahlt werden. Zahlt der Dritte ohne rechtlichen Grund, z.B. weil die Steuerschuld nachträglich entfällt, steht der Erstattungsanspruch nach dem Gesetz aber nicht dem Dritten, sondern dem Steuerpflichtigen zu. Dem Finanzamt soll nämlich nicht zugemutet werden, im konkreten Fall zu prüfen, ob der Dritte oder der Steuerpflichtige im Innenverhältnis einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Erstattung der Zahlung hat.
- Allerdings kann der Dritte, der gezahlt hat, seine sog. Tilgungsbestimmung, also den Verwendungszweck, anfechten und anschließend sein Bestimmungsrecht neu ausüben. Die Anfechtungsmöglichkeit steht also nicht nur dem Steuerpflichtigen zu. Bei einer erfolgreichen Anfechtung wird die Tilgungsbestimmung rückwirkend nichtig. Daher kann der Dritte nach erfolgreicher Anfechtung seine Tilgungsbestimmung neu ausüben und z.B. bestimmen, dass nun seine eigene Steuerschuld getilgt werden soll.
- Bei einer Anfechtung wegen einer Drohung oder Täuschung hat der Dritte ausnahmsweise einen eigenen Erstattungsanspruch. Denn in diesem Fall fehlte bei der Zahlung eine freie Willensbildung des Dritten; die freie Willensbildung (privatautonome Willensbildungsfreiheit) hat eine größere Bedeutung als das Bedürfnis der Finanzverwaltung, keine eigene Prüfung der zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Dritten, der gezahlt hat, und dem Steuerpflichtigen vorzunehmen.
- Das Finanzgericht muss nun aufklären, ob die Klägerin aufgrund einer Drohung des X dessen Steuerschuld bezahlt hat. Die Beweislast hierfür liegt bei der Klägerin. Sie muss unter anderem darlegen, weshalb sie am 4.6.2021 zunächst nur einen Irrtum geltend gemacht, ohne nähere Ausführungen zu dem Irrtum zu machen, und erst im Dezember 2021 eine Drohung des X behauptet hat.
Hinweise: Bei einer Anfechtung wegen Drohung kommt es nicht darauf an, ob das Finanzamt Kenntnis von der Drohung hatte oder die Drohung hätte kennen müssen. Anders ist dies bei einer Anfechtung wegen Täuschung.
Die Anfechtung wegen Täuschung oder wegen Drohung ist im Zivilrecht geregelt. Für die Anfechtung gilt eine einjährige Frist, die im Streitfall eingehalten worden sein dürfte; denn die Zahlung ist am 24.2.2021 und die Anfechtung wegen Drohung am 21.12.2021 erfolgt.