Unentgeltliche Abgabe selbst produzierter Wärme durch Unternehmer an anderen Unternehmer
Gibt ein Unternehmer selbst erzeugte Wärme unentgeltlich an einen anderen Unternehmer ab, stellt dies eine unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands (Entnahme) dar, die umsatzsteuerbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob der andere Unternehmer die Wärme für einen Zweck verwendet, der zum Vorsteuerabzug berechtigen würde.
Quelle: BFH, Urteil v. 4.9.2024 – XI R 15/24 (XI R 17/20); NWB
Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Entnahme liegt vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand aus seinem Unternehmen für Zwecke verwendet, die außerhalb seines Unternehmens liegen, z.B. für private Zwecke oder als unentgeltliche Zuwendung.
Sachverhalt: Die Klägerin betrieb ein Blockheizkraftwerk, mit dem sie Strom und Wärme produzierte. Den Strom speiste die Klägerin gegen Entgelt in das allgemeine Stromnetz ein. Die Wärme überließ sie zwei Unternehmen: zum einen an den Unternehmer A, der die Wärme zur Trocknung von Holz in Containern verwendete, und zum anderen an den Landwirt B, der mit der Wärme seine Spargelfelder beheizte. Zwar sollten sowohl A und B eine Vergütung an die Klägerin zahlen; tatsächlich stellte die Klägerin aber weder A noch B ein Entgelt in Rechnung und bekam daher auch kein Geld von den beiden Unternehmern. Die Klägerin erhielt aber vom Stromnetzbetreiber einen sog. Kraft-Wärme-Kopplung-Bonus (KWK-Bonus) in Höhe von ca. 85.000 €. Das Finanzamt sah in der unentgeltlichen Überlassung der Wärme eine Entnahme und setzte Umsatzsteuer auf der Grundlage der Selbstkosten der Klägerin fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte eine umsatzsteuerbare Entnahme:
- Die unentgeltliche Abgabe von Wärme an einen anderen Unternehmer für dessen wirtschaftliche Tätigkeit stellt eine Entnahme dar. Die Klägerin hatte kein Entgelt für die Wärme erhalten. Auch der KWK-Bonus war kein Entgelt für die Wärmelieferung, da er nur für den eingespeisten Strom gezahlt wurde.
- Für die Beurteilung als Entnahme kommt es nicht darauf an, ob der andere Unternehmer die Wärme für sein Unternehmen nutzt und ob er die Wärme in einem Unternehmensbereich einsetzt, für den er zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre. Die Klägerin wäre nämlich gar nicht ohne Weiteres in der Lage, den umsatzsteuerlichen Status von A und B, insbesondere deren Vorsteuerberichtigung, zu überprüfen.
- Die weitere Voraussetzung einer umsatzsteuerbaren Entnahme war ebenfalls erfüllt, da die Klägerin zum Vorsteuerabzug bezüglich der Anschaffungskosten ihres Kraftwerks berechtigt gewesen war. Anderenfalls wäre eine Umsatzsteuer auf die Entnahme nicht gerechtfertigt.
- Als Bemessungsgrundlage für die Entnahme sind die Selbstkosten anzusetzen. Zwar ist vorrangig der Einkaufspreis als Bemessungsgrundlage anzusetzen; dies gilt aber nur dann, wenn für die Klägerin ein Einkauf von Wärme möglich gewesen wäre. Die Klägerin hätte Wärme aber nicht einkaufen können, da sie nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen war.
Hinweise: Zu den Selbstkosten gehören nicht nur die unmittelbaren Herstellungs- oder Erzeugungskosten für die Wärme, sondern auch Kosten, die nur mittelbar der Herstellung bzw. Erzeugung zurechenbar sind, z.B. Finanzierungskosten. Dies gilt auch dann, wenn sie nicht mit Vorsteuer belastet waren.
Der BFH hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, der eine Entnahme bejaht hatte. Der BFH ist mit seinem aktuellen Urteil nun dem EuGH gefolgt.